Für einen der größten Anime-Schöpfer steht die Branche vor einer schweren Krise

Quelle: P.A. Works

“Wir könnten vergessen, wie man Originalwerke schafft”: Anime-Legende Kenji Horikawa warnt, dass hohe Kosten und Fließbandproduktion die Originalität bedrohen

Der letzte Funken Kreativität.

Von Tilman Kicinski

20.08.2025

Viel Zeit ist vergangen seit Anime als gefühltes Nebenprogramm am Nachmittag bei RTL II liefen und für meine Eltern “diese komischen Zeichentrickserien” waren, die “keinen wirklichen Inhalt” hatten. Doch das hielt mich nicht davon ab, weiterhin ‘Naruto’, ‘One Piece’ oder ‘Detektiv Conan’ zu schauen. Inzwischen sind Anime ein weltweites Phänomen und werden in einer Menge produziert, die früher undenkbar gewesen wäre.

Wenn Einheitsbrei Originalität verdrängt

Zwar überflügeln die einst so belächelten Serien und Filme westliche Produktionen teilweise bei weitem, doch steht die stetige Industrialisierung und Standardisierung der Branche dem ursprünglichen Konzept entgegen. Das befürchtet zumindest Kenji Horikawa, der Studio P.A. Works mitbegründete und in einem Interview davor warnte, dass der aktuelle Weg die Anime-Branche in eine Krise führen könnte. Das Hauptproblem sieht er bei der Originalität. Denn während frische und neue Ideen immer kritischer beäugt werden, wird in garantierte Erfolghits investiert ohne Ende.

Horikawa im Interview mit Crunchyroll
Horikawa im Interview mit Crunchyroll
Quelle: Crunchyroll

Dadurch wird mit der Zeit das verloren gehen, was Anime einst groß gemacht habe. Neue Ideen und eine ganz eigene Art des Geschichtenerzählens. Außerdem ist bereits lange bekannt, welche Arbeitsbedingungen in Animationsstudios herrschen und wie überlastet die Mitarbeitenden sind, während die Investor:innen immer zurückhaltender werden, was wirklich neue Ideen anbelangt.

“Es ist definitiv wahr, dass es heutzutage schwierig ist, originelle Projekte zu realisieren. Die Produktionskosten für Anime steigen rapide, sodass originelle Werke aus Sicht der Investoren als risikoreich gelten. Das verstehe ich bis zu einem gewissen Grad. Auf der anderen Seite wird das enorme Volumen an Anime, das veröffentlicht wird, jedoch immer überwältigender. Es hat die Mitarbeiter erschöpft, die versuchen, mit der Nachfrage Schritt zu halten, sodass ich das Gefühl habe, dass der Wunsch, originelle Werke zu schaffen, nachlässt.”

Frische Ideen statt Fließband

Die Herausforderung, vor der die Anime-Branche steht, ist gewaltig. Steigende Produktionskosten, überlastete Mitarbeitende und zögernde Investor:innen bilden ein wackelndes Fundament, welches das einstige Alleinstellungsmerkmal des Mediums mit sich reißen könnte.Dabei braucht es gerade in einer Zeit von Massenproduktionen für die Mehrheit frische und neue Ideen, die die Menschen aufrütteln und etwas völlig neues erzählen. Ohne diese Originalität steht die Branche laut Horikawa kurz vor einer Krise.

Shirobako ist auch ein Metakommentar zur Anime-Industrie
Shirobako ist auch ein Metakommentar zur Anime-Industrie
Quelle: P.A. Works

“Bei Originalwerken werden die Geschichte, die Welt und die Charaktere von den Schöpfern selbst entworfen, sodass der Produktionsaufwand hoch ist. Es ist wichtig zu fragen, ob das Originalwerk etwas enthält, das den Aufwand für die Erstellung rechtfertigt. Wenn wir jedoch den derzeitigen Weg weitergehen, sehe ich eine Krise auf uns zukommen, da wir möglicherweise vergessen, wie man Originalwerke schafft, selbst wenn wir es alle wollen.”